Name: |
Poison City |
Englischer Name: |
– |
Originaltitel: |
Poison City |
Herausgebracht: |
Frankreich: Ki-oon 2015
Deutschland: Carlsen 2016 |
Mangaka: |
Tetsuya Tsutsui |
Bände: |
2 Bände |
Preis pro Band: |
7,99 € |
Story
Japan in naher Zukunft.
Mikio Hibino hat es geschafft. Der ambitionierte junge Zeichner hat die Zusage für eine regelmäßige Manga-Serie in einem renommierten Magazin erhalten. Hochmotiviert und beschwingt macht er sich in die Ausarbeitung der ersten Kapitel für seinen Mystery-Schocker „Dark Walker“. So sehr vergräbt er sich in seine Arbeit, dass er kaum das Haus verlässt und der Rest der Welt an ihm vorbeizieht.
Zwar kommen ihm die Vorbehalte seines Redakteurs vor zu expliziter Gewaltdarstellung im Manga überzogen vor, doch denkt er nicht weiter darüber nach, sondern befolgt einfach die Ratschläge. Nach und nach werden die Korrekturwünsche immer merkwürdiger. Statt Kannibalen soll er Zombies als Randfiguren verwenden und sogar Raucher werden nicht mehr gerne gesehen! Im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 2020 möchte sich Japan als kultivierte Nation präsentieren. Entsprechend hoch sind die Auflagen, die an Kunst und Kultur gestellt werden. Ein eigens eingesetzter Kulturausschuss aus Honoratioren und wenigen Experten nimmt sämtliche Werke kritisch unter die Lupe.
Trotz aller Überarbeitungen geschieht das Unfassbare: Hibinos „Dark Walker“ wird von dem Kulturausschuss als so „schädlich“ für das Gemeinwohl eingestuft, dass kurz nach Publikation des ersten Kapitels alle Exemplare des Magazins eingezogen werden müssen. Zwar hat Hibino keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten, doch hat sein Manga nur noch die Möglichkeit, als web-comic veröffentlicht zu werden – mit deutlichen Einschränkungen und wirtschaftlichen Einbußen.
Hibino gibt sich nicht geschlagen, will mehr wissen. Er nimmt Kontakt zum ehemals beliebten Mangaka Shingo Matsumoto auf. Nachdem eines seiner Werke in den Medien als Paradebeispiel für schädliche Literatur gegeißelt wurde, musste er sich einer Zwangstherapie unterziehen. Inzwischen kann er nur noch unter falschem Namen veröffentlichen. Blüht dieses Schicksal auch Hibino?
Eigene Meinung
Ein Manga, der sich dem Mangazeichnen widmet, ist zunächst einmal keine Innovation. Zuletzt ernteten die „Death Note“-Autoren Takeshi Obata und Tsugumi Ohba einen Achtungserfolg mit Bakuman.“. Doch kaum könnte der Unterschied größer sein zwischen letzter Serie an der Grenze zur Love-Comedy und „Poison City“. Es ist wieder kein beschauliches Szenario, das Tstsuya Tsutsui in zeichnet. Wie bereits in „Prophecy“ entschied sich der Autor für eine fast bedrückende kritisch-realistische Darstellung aktueller gesellschaftlicher Problematiken. Diesmal steht das Spannungsverhältnis zwischen künstlerischer Freiheit und restriktiver Kulturpolitik bis hin zur (Selbst-)Zensur im Mittelpunkt. Und wieder legt Tsutsui den Finger in gleich mehrere Wunden: Willkür bei der Einstufung von Publikationen als potenziell jugendgefährdend, Kunstschändung unter dem Deckmantel sittlicher Säuberung, Instrumentalisierung von Kindern gegen künstlerische Freiheit. Auch die persönlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für betroffene Kunstschaffende werden ausführlich thematisiert.
Dies kommt nicht von ungefähr, hatte der Mangaka vor wenigen Jahren selbst Probleme wegen seines Manga „Manhole“, der in einer japanischen Präfektur auf dem Index landete. Zahlreiche Seitenhiebe werden auch nach Amerika ausgeteilt, wo sich seit Jahren v.a. im Anime-Bereich eine fragwürdige Zensur-Politik hält.
Umso mehr ist schade, dass die Handlung über weite Strecken unreflektiert bleibt. Den meisten Mitgliedern des Kulturausschusses werden persönliche Motive bis hin zu Fanatismus für ihre überzogenen Maßnahmen zugeordnet. Eine (durchaus gerechtfertigte) Hinterfragung des Prüfungs- und Einstufungssystems findet dagegen im Manga selbst – im Gegensatz zum Nachwort – höchstens ansatzweise statt.
So bleibt „Poison City“ hinter seinen Möglichkeiten zurück, ist aber dennoch ein äußerst lesenswerter Manga, der uns den Wert einer vielfältigen Kultur noch einmal vor Augen führt.
© Rockita
Poison City: © 2015 Tetsuya Tsutsui Ki-oon / Carlsen