Gegen den Strom
Name: | Gegen den Strom |
Englischer Name: | A drifting Life |
Originaltitel: | Gekiga Hyōryū |
Herausgebracht: | Japan: Seirinkogeisha 2008 Deutschland: Carlsen 2012 |
Mangaka: | Yoshihiro Tatsumi |
Bände: | Einzelband |
Preis pro Band: | 44,00 € |
Story:
Der junge Hiroshi Katsumi ist 10 Jahre alt, als das Ende des zweiten Weltkrieges ausgerufen wird und für Japan eine Zeit des Wiederaufbaus und der wirtschaftlichen Krisen beginnt. Vier Jahre später hält sein Vater die Familie finanziell nur mühsam über Wasser, während Hiroshi und sein gesundheitlich angeschlagener Bruder Shoichi kleine Mangastrips auf Postkarten zeichnen und diese an das Magazin „Manga Shonen“ schicken. Damit legen beide den Grundstein für ihren steinigen Weg innerhalb der boomenden Mangaindustrie. Gerade Hiroshi gelingen nach und nach kleiner Erfolge, insbesondere als er sein großes Vorbild Osamu Tezuka kennenlernt und schließlich Stammzeichner des kleinen Provinzverlages Hinomaru wird, der vorwiegend Mangas für Leihbuchhändler anfertigt.
Schon bald reift in Hiroshi die Idee, einen gänzlich neuen Stil zu prägen und sich von den damals üblichen Kindermangas zu distanzieren. Mit einigen Kollegen, die ihn auch später über Jahre hinweg begleiten, ruft er das Kunzegeschichten – Magazin „Kage“ ins Leben, das für den Hinomaru Verlag mit der Zeit zu einem ungeahnten Verkaufsschlager wird. Seine Popularität steigt, er arbeitet für unterschiedliche Verlage, entwirft ungewöhnliche, erwachsene Geschichten und ist immer auf der Suche nach einem gänzlich neuem Erzählstil, den er später den Begriff „Gekiga“ gibt. Doch es gestaltet sich als zunehmend schwierig die neue Mangaform zu etablieren, denn schon bald ist sein Zeichenstil im sich rasant entwickelnden Mangaboom eher antiquiert und veraltet …
Eigene Meinung:
Zwölf Jahre arbeitete Yoshihiro Tatsumi an der einzigartigen, 850-seitigen Biografie „Gegen den Strom und entführt den Leser in 48 Kapitel in ein Japan der Nachkriegszeit. Der Manga erschien zunächst in zwei Bänden, später als großer Sammelband u.a. in den USA, Kanada, Frankreich und Spanien und war so erfolgreich, dass 2011 ein animierter Film unter dem Titel „Tatsumi“ in Singapore erschien. Zudem erhielt Yoshihiro Tatsumi für sein Lebenswerk 2010 zwei „Eisner Awards“ und wurde 2012 auf dem Internationalen Comicfestival in Angoulême mit dem Prix Ragards Sur Le Monde ausgezeichnet.
Mit viel Liebe zum Detail schildert der Autor die historischen Hintergründe der Nachkriegszeit Japans und spickt die Erzählung mit persönlichen Anekdoten und Ereignissen, die die Zeit noch lebendiger und dreidimensionaler machen. Man taucht direkt in die Welt des beginnenden Mangabooms ab, erfährt wie schwierig es damals für Zeichner war, Fuß zu fassen und gegen welche Vorurteile die Künstler damals zu kämpfen hatten. Insbesondere das System der Leihbuchhandlungen ist für den westlichen Leser etwas gänzlich Unbekanntes, war es doch damals üblich dort für einen geringen Stundenbetrag Bücher zu lesen und waren viele Mangakas bei Verlagen, die diese Buchhandungen mit Magazinen und Büchern bedienten.
Yoshihiro Tatsumi gelingt ein einzigartiges und informatives Zeitcolorit, das sich auch nach dem Lesen im Gedächtnis festsetzt und zum Nachdenken anregt. Er gibt seinen persönlichen Erfahrungen immer wieder einen festen Rahmen, in dem er die wichtigsten Ereignisse der Jahre auf 2-3 Seiten festhält und spannende Hintergrundinformationen preisgibt. Seien es die ersten Fernsehgeräte, bekannte Kinofilme oder Bücher von Shakespeare oder Dumas – die Graphic Novel bietet einen guten Einblick in die Zeit ohne sich rein auf den Mangamarkt zu konzentrieren.
Zumeist steht die Figur Hiroshi Katsumi im Vordergrund – der Leser erlebt durch ihn Yoshihiro Tatsumis Leben, das beständige Auf und Ab seiner Suche nach einer neuen Stilrichtungen und den damit verbundenen Schwierigkeiten. Hiroshi ist interessant und man kann sich gut in seine Gedanken – und Gefühlswelt hineinversetzen.
Zeichnerisch ist Gegen den Strom“ eher schlicht und einfach gehalten. Yoshihiro Tatsumi hat einen ganz eigenen, antiquierten und sehr klaren Stil, der weitestgehend auf Details verzichtet. Hin und wieder wirken die Zeichnungen ein wenig dahingeschludert, doch das gibt sich rasch wieder. Auch Rasterfolie kommt selten zum Einsatz, da Yoshihiro Tatsumi lieber mit schwarz/weiß Flächen arbeitet oder Schraffuren einsetzt, wobei diese nur selten zu finden sind. Stattdessen konzentriert er sich auf die einzelnen Szenen, ausgearbeitete Hintergründe, um seinen Figuren einen passenden Rahmen zu gaben und die Geschichte, die er erzählen will. Daher legt er viel Wert auf den Text und die Dialoge.
Die Aufmachung des Buches ist Carlsen wirklich gelungen. Der Hardcoverband wirkt edel und bietet ein langanhaltenes Lesevergnügen. Aufgrund des Umfanges wiegt die Graphic Novel einiges, so dass sie sowohl vom Format, als auch vom Inhalt her nichts für Zwischendurch ist. Man sollte sich schon einen Tag Zeit nehmen, um die Kapitel in Ruhe zu lesen, um die Wirkung des Mangas genießen zu können.
Insgesamt ist „Gegen den Strom“ ein weundervolles, tiefgründiges und unterhaltsames Meisterwerk, das den Leser in eine spannende und rasant wachsende historische Epoche des Mangamarktes entführt. Auf 850 Seiten und mit sehr klaren, einfachen Bildern erzählt Yoshihiro Tatsumis von seinem Leben und Schaffen und bietet erwachsenen Mangafans einen ungeahnten Einblick in die Anfänge des Mangabooms und die damaligen Verhältnisse. Wer schon immer erfahren wollte, wie sich der japanische Mangamarkt nach dem zweiten Weltkrieg entwickelt hat, der sollte sich diese Graphic Novel nicht entgehen lassen. Sie ist ein Fundus an Informationen, wissenswerten Details und überaus interessanten Anekdoten. Sehr zu empfehlen.
© Koriko
Gekiga Hyōryū: © 2008 Yoshihiro Tatsumi, Seirinkogeisha/Carlsen