Was wäre eine Convention ohne das oppulente Bühnenprogramm, bei dem die unterschiedlichsten Solokünstler und Showgruppen dem versammelten Publikum mit liebevollen Gesangs-, Tanz- und Schauspieleinlagen die Zeit vertreiben? Eine ganze Ecke langweiliger auf jeden Fall! So gab auch auf der diesjährigen Animuc wieder einen dicht gepackten Programmplan für die unterschiedlichsten Darbietungen im Stadtsaal. An Publikum mangelte es nicht, schließlich mussten die Veranstalter am Samstag gegen 13 Uhr sogar den Ticket-Verkauf einstellen und ein beeindruckendes Schild über der Preistabelle aushängen: AUSVERKAUFT!
Den Anfang machte nach der Eröffnungsveranstaltung am Freitag gegen 18 Uhr der schon erwähnte japanische Ehrengast und J-Rock-Gitarrist SANA, dessen sicherlich mitreißendes Konzert wir leider nicht persönlich miterleben konnten. Auch genauere Berichte zur Aufführung der Berliner Musical-Showgruppe Serenata, die mit ihrem Stück zu Professor Layton eine überaus beliebte Videospielreihe aufgriffen, sowie zu Isas Musik- und Tanzshow müssen wir euch leider schuldig bleiben. Gut unterhalten haben sie gewiss alle, wie auch Max Improving am Samstag Abend und das Flying Sushi Theatre am Sonntag Mittag mit ihrer Comedy-Nummer ‚Spoiler: Das Schiff geht unter!‘. Was soll beim Comedy-Talent dieser Truppe und einer Kreuzung aus „Super Smash Bros.“ mit dem Klassiker „Titanic“ auch schief gehen?! Dennoch: Wir entschuldigen uns bei allen genannten Künstlern und Showgruppen, deren Programme wir diesmal aus personellen und zeitlichen Gründen nicht in unserer Berichterstattung abdecken konnten.
Showprogramm am Samstag:
Mit am Start waren wir bei Mitsuki, die sich Samstag Mittag um 12 Uhr für eine halbe Stunde des Publikums annahm. Seit 2006 schmettert die Schweizerin mit den niedlichen Kostümen inzwischen schon Anime-Openings und andere populäre Songs aus der Szene. Dass sie keine Landsmänner im Saal ausmachen konnte, bremste die junge Sängerin kein bisschen: Mit dem zweiten Opening aus „Kill la Kill“ begann sie ihre Show und sah sich gleich mit einem Frühstart beim Applaus konfrontiert, weil das Lied „Ambigious“ wohl noch nicht ganz so bekannt ist, wie es sein sollte. Am aktuellen Megahit „Shingeki no Kyojin“ bzw. „Attack on Titan“ kam Mitsuki danach nicht vorbei und stimmte das wunderschöne Ending „Utsukushiki Zankoku na Sekai“ an. Ein ähnlicher Trend, der Disney-Streifen „Die Eiskönigin“ (Frozen), war natürlich auch Pflicht und so interpretierte Mitsuki die deutsche Version des oscarprämierten Songs „Let it Go“. Leider hoffte sie vergeblich darauf, dass das Publikum textsicher aus voller Kehle mitsingen könnte. 😉
Auch weniger bekannte Songs japanischer Idol-Gruppen in Kurzfassungen waren im Programm vertreten sowie ein Song der Interpretin des berühmten „Neon Genesis Evangelion“-Openings. Für Nostalgie sorgte der deutschsprachige Sailor Moon-Song „In einem wunderschönen Traum“ – ein Risiko in der Playlist, wie die Sängerin mit Blick auf die umstrittene Figur der Chibiusa scherzte! Mitsuki, die wie immer sehr hübsch – aber vielleicht ein bisschen zu kalt?! – angezogen war, entschuldigte sich schon zu Beginn, dass ihre Bewegungsfreiheit kostüm- und perrückenbedingt eingeschränkt sei und man auf großes Showtanzen verzichten müsse. Dass sie die meiste Zeit am Mikrofonständer verweilte, kaschierte sie dafür mit ausladenden Tanzbewegungen ihrer Arme zur Musik und viel Interaktion mit dem Publikum. Das forderte dann am Ende folgerichtig eine Zugabe – und erwischte die Sängerin auf dem falschen Fuß, die kleinlaut zugab, diese Aufforderung nicht gewohnt zu sein! Spätestens nach Mitsukis daraufhin a cappella improvisierter Schwizerdütsch-Fassung der „Sailor Moon“- und „Eiskönigin“-Songs wird sich das in Zukunft definitiv ändern. Klasse!
Weiter ging es um 13 Uhr mit Vapid Superior, die eine Premiere feierten: In ihrem von selbstgedrehten Videosequenzen unterstützten Bühnenstück führten sie verschiedene Charaktere der beliebten Studio Ghibli-Filme im sogenannten „Cirque de la Défaillance Pompeuse“ zusammen. Gekonnt kombiniert die Gruppe dabei eine interessante Story mit Tanz, (moderner) Musik und vereinzelten Kunststücken. Sogar für eine Prise Metahumor ist in Gestalt der selbst mitspielenden und in die Handlung eingreifenden „Autorin“ des Stücks gesorgt – Shizuku aus „Stimme des Herzens“! Auch einige überraschende Gastauftritte bekam das Publikum in dem kurzweiligen Stück zu sehen. Da verzeiht man doch gerne den ein oder anderen kurzen Texthänger bei Nebenrollen.
Hintergrund: Haku aus „Chihiros Reise ins Zauberland“ ist auf der Flucht vor der Hexenmeisterin Yubaba. Er ahnt nicht, dass sein Entkommen ihn die Erinnerung an seine Retterin Chihiro gekostet hat. So treibt ihn ein unerklärliches Gefühl der Sehnsucht in den Zirkus, wo u.a. der Zirkusdirektor Hauro – stets in Sorge um seinen Schönheitsschlaf – und die talentlose Wahrsagerin Kiki auf ihn warten. Hinzu gesellen sich die magisch vergrößerte Arrietty und die gefürchtete Bestie des Zirkus – das Wolfsmädchen San aus „Prinzessin Mononoke“. Ob sie ihrem neuen Freund wohl im Kampf gegen Yubabas Schergen und bei der Wiedererlangung seiner Erinnerung helfen können…?
Um 16:30 Uhr dann waren die Showgruppen-Veteranen von Tsuki no Senshi an der Reihe – so war es zumindest geplant. Leider streikte die Technik und es dauerte eine ganze Weile, bis das Programm über Hetalia letztmalig an den Start gehen konnte. Die Gruppe füllte die Wartezeit letztlich aber gut, indem sie das Publikum schon mal ans Mitmachen bei „We will rock you“ heranführte und einen Crashkurs im Schuhplattlern gab!
Was sich anschloss war ganz große Bühnenkunst in Spiel und Tanz. Nur TnS schafft es wohl, ein so komplexes und empfindliches Thema wie die Nachwehen des zweiten Weltkriegs, den Kalten Krieg samt Kuba-Krise und die Spaltung Deutschlands inklusive Mauerbau bis zum Ende der DDR so spannend, dramatisch, berührend und stellenweise brüllend komisch darzustellen. All das ohne jemals den Respekt vor der Thematik zu verlieren und sogar mit wichtiger Aufklärungsarbeit und nachdenklichen Botschaften für die jüngere Generation. Mit diesem Stück war TnS wirklich voll am Puls der Zeit, wie die aktuellen Ereignisse in der Ukraine und die Rolle Russlands und der USA dabei leider eindrucksvoll demonstrieren.
Ab der nächsten Con wird TnS ein Stück zum Dauerbrenner Neon Genesis Evangelion präsentieren und sucht zu diesem Zweck noch motivierte Verstärkung in der Darsteller-Riege. Ob sie sich dann wohl weiterhin Kim von Ongaku no Kara ausleihen, die diesmal als Kuba auf der Bühne stand? Man darf gespannt sein!
Wo wir gerade schon von Ongaku no Kara sprachen, die beliebten Musiker hatten diesmal auch wieder ganze zwei Auftritte vorzuweisen. Schwer zu sagen, welchen man mehr bejubeln soll! Am Samstag Abend gegen halb sieben war dabei der „traditionellere“ Teil: Tanz und Live-Gesang zu Playback-Musik kamen gepaart mit Hintergrundvideos und eingeblendeten Lyrics zum Einsatz – Ergebnis des Ganzen: Teils originalgetreue Cover-Songs aus der Welt von Anime, Games und Popkultur, teils zum Schreien komische Parodien. All das natürlich wie immer kurzweilig und lustig moderiert vom Chef der Bande, Yukiya!
Den Anfang der Show mit dem Motto „Was wäre wenn?“ machte ein Song aus „Steins;Gate“, weiter ging es mit „Drive me nuts“. Schon kam die erste Parodie in Form einer herzzerreißenden Ballade mit dem Titel „Nur noch eine Nacht“: Darin besang die Gruppe den unmenschlichen Zeitdruck und Stress eines jeden Cosplayers in den Tagen vor einer Convention. Warum müssen die auch jedes Jahr so absolut überraschend und ohne Vorwarnung vor der Tür stehen?! Auf jeden Fall eine unvergessliche Hommage an brennende Nähmaschinen und krankhaften Koffeinmissbrauch! Ernster ging es im zuvor schon bei Mitsuki erklungenen Ending von „Shingeki no Kyojin“ zu. Danach spielte Ongaku mit den Erwartungen, dass sie sicher den obligatorischen Megahit „Let it Go“ aus „Frozen“ anstimmen würden. Denkste! Stattdessen gab es aus diesem – Zitat – „Soundtrack zu dem auch ein Film in die Kinos kam“ – das temporeiche Duett „Life is an open door“. Dem schloss sich ein besonderes Schmankerl an: Angenommen, Superhelden wären mangels Bösem in der Welt arbeitslos – würden Marvels Avengers nicht eine prima Boyband abgeben? Die irre komische Parodie zu „Everybody (Backstreet’s Back)“ von den Backstreet Boys lässt nur eine Antwort zu: JA!!
Danach wurde es wieder seriös und eine originalgetreue Interpretation des zweiten deutschen Ranma 1/2-Openings „Mit der Sonne“ versetzte die Zuhörer für einen kurzen Moment in die „gute alte Zeit“. Weniger romantisch, dafür umso blutrünstiger: Der Enka-Klassiker „Shura no Hana“, ein japanischer Schlager aus dem 40 Jahre alten Rachedrama „Lady Snowblood“. Anschließend gab es als eine Art Gegenentwurf zum beliebten Sword Art Online den Song „No virtual“ von Kinya Kotani, der wohl leider nie mehr das Image als Singstimme des Hauptcharakters Shuichi Shindô im Boys-Love-Anime „Gravitation“ los wird. Das Opening zu „Sword Art Online“ selbst kam prompt hinterher, ehe eine selbstironisch wegmoderierte Verwirrung über die Reihenfolge der Playlist zu einem Song aus „Final Fantasy“ überleitete. Im Anschluss wurde es noch mal bitterböse: Aus Falcos skandalumwittertem Song über sexuelle Gewaltverbrechen, „Jeanny“, wurde kurzerhand „Bunny“, ein Lied über das unmögliche Leben eines 14-jährigen Magical Girls und die Macht des Mondes! Nach dieser aufwühlenden Comedy-Nummer gab das Finale über die komplizierte Liebe zweier Zombies nach der Apokalypse dem Zwechfell des Publikums endgültig den Rest. Ein von vorne bis hinten gelungener Auftritt mal wieder – Ongaku no Kara ist einfach eine Bank in der deutschen Showgruppen-Landschaft!
Wer nach dem genialen Auftritt von Ongaku noch länger Sitzfleisch zeigte, konnte sich die Siegerehrung zum Animuc-eigenen Cosplaywettbewerb (siehe vorherige Seite) und – spät am Abend – einen AMV-Wettbewerb zu Gemüte führen, bei dem die aufwändig zusammengeschnittenen Musikvideos der Teilnehmer sowohl das Publikum als auch eine Fachjury überzeugen mussten. Die Ergebnisse sollte es erst am nächsten Tag im Zuge der Abschlussveranstaltung geben.
Weiter geht’s auf Seite 3 mit dem Showprogramm von Sonntag und dem Panel von Ehrengast Nao Yazawa