Geliebter Affe und andere Offenbarungen

Name: Geliebter Affe und andere Offenbarungen
Englischer Name:
Originaltitel: Kuroi Fubuki
Herausgebracht: Japan: Daihakken 2003
Deutschland: Carlsen 2013
Mangaka: Yoshihiro Tatsumi
Bände: Einzelband
Preis pro Band: 19,90 €

Geliebter Affe und andere OffenbarungenStory
„Geliebter Affe und andere Offenbarungen“ ist eine Sammlung 13 verschiedener Kurzgeschichten, in denen unterschiedliche Menschen vor einem Wendepunkt oder vor einer schweren Entscheidung stehen.

Beispielsweise steht Saburo Hanayama kurz vor seiner Rente. Eigentlich könnte er sich auf ein ruhiges und entspanntes Rentnerleben freuen, aber dem ist leider nicht so. Seine Familie beschäftigt sich ausschließlich mit der Berechnung seiner Altersvorsorge und dessen Verwendungszweck. Er selber wird darin aber nicht involviert. Und auch die letzten Arbeitstage fallen ihm sichtlich schwer. Niemand scheint ihn noch zu brauchen. Alle wenden sich bereits vertrauensvoll an den neuen Abteilungsleiter. Nur Fräulein Okawa, die von Saburo ins geheim angehimmelt und verehrt wird, scheint als einzige noch zu ihm zu halten. Saburo wird sich langsam bewusst, dass er alt geworden ist. Doch er beschließt, dem Verfall der Zeit entgegen zu wirken und seiner habgierigen Familie einen Strich durch die Rechnung zu machen. Saburo will seine Würde als Mann zurück. Er beschließt all das Geld seiner Rente für Frauen und Pferderennen auf den Kopf zu hauen!

Eine weitere Geschichte handelt von Shimokawa, dem Berufszeichner. Als die Verkaufszahlen immer mehr in den Keller rutschen, wird sein momentanes Projekt, Bilderbücher für Kinder zu entwerfen, jedoch kurzerhand ab gesägt. Nach dieser schlechten Nachricht und der drohenden Arbeitslosigkeit wandert Shimokawa verzweifelt durch die Straßen. Sein einziger Zufluchtsort ist eine kleine, verdreckte, öffentliche Toilette, die eher einem Plumpsklo ähnelt. Die obszönen Kritzeleien nackter Frauen, die die Wänden verzieren, versprühen für Shimokawa einen gewissen Charme und kurbeln seine Fantasie an. Vielleicht hat sich Shimokawa bei seinen Comics einfach nur der falschen Zielgruppe gewidmet.

Auch Kenichi hat mit den Hürden des Alltags zu kämpfen. Er lebt mit seiner Mutter in einer winzigen Wohnung. Tagtäglich muss er seine Mutter wie ein Sklave versorgen und ihre Beschwerden über sich ergehen lassen. So oft wie möglich hält sie ihm vor, wie schwer sie es mit ihm hatte und wie viel Arbeit er ihr als Kind gemacht hätte. Doch wenn er auch nur einen Fuß vor die Tür setzt, um beispielsweise zur Arbeit zu gehen, bekommt seine Mutter Panik, allein gelassen zu werden. Ständig fleht sie ihn an zu bleiben und sie nicht zu verlassen. Doch Kenichi hat auch ein eigenes Leben. Zu gerne würde er mit seiner Freundin zusammenziehen. Doch er traut sich nicht mal, sie mit zu sich nach Haus zu nehmen. Seine Mutter hat er ihr nie vorgestellt.

Als Kenichi eines Tages aber einen Zeitungsartikel liest, der von einer alten Frau handelt, die einsam und allein in ihrer Wohnung gestorben ist und erst zwei Wochen später tot aufgefunden wurde, kommt ihm ein vielversprechender Gedanke! Er muss seine Mutter irgendwo weit weg in eine eigene Wohnung ausquartieren. Ohne seine Fürsorge würde das Problem sicher schon bald gelöst sein.

Ähnlich wie die beschrieben Geschichten haben auch die anderen Protagonisten mit ihrem Alltag zu kämpfen.

Ein ehemalige Sträfling kann sich nur schwer wieder in die Gesellschaft eingliedern, ein Mann lässt sich aus Liebe zu seiner Frau wie einen Hund behandeln, ein Vergewaltigungsopfer flieht mit seiner Familie von Ort zu Ort um seinem Peiniger zu entfliehen, Ein Mann hat mit seiner Erinnerung und der damit verbunden Phobie vor Sex zu kämpfen, Ein weiterer Mann erleidet im Arbeits-, Privat- und Liebesleben harte Schicksalsschläge, Die Diagnose von Diabetes lässt einen Mann seine Sterblichkeit klar werden, wodurch er seinen Verfall durchs Rückwärtslaufen entgegenwirken möchte, und viele weitere Geschichten.

Eigene Meinung
„Geliebter Affe und andere Offenbarungen“ richtet sich in erster Linie an das erwachsen Publikum.

Yoshihiro Tatsumi gilt als der Begründer des Gekiga-Stils, der sich durch reife Zeichnungen und Geschichten vom Mangamarkt abhebt und den Gegensatz zu den niedlichen Vertretern bildet. Wahrlich ist auch „Geliebter Affe…“ keine leichte Kost. Auf 320 Seiten sind verschiedene Handlungen thematisiert, die teilweise die Kehrseite der menschlichen Gesellschaft darstellen. Gewalt und Perversion stehen vielfach im Mittelpunkt und bilden den roten Faden zwischen den einzelnen Geschichten. Ein Happy End ist zudem eher selten. Häufig sind die Wendungen schockierend und wirken befremdlich. Die einzelnen Schritte und Gedanken der jeweiligen Protagonisten , sowie deren Antrieb für bestimmte Handlungen, sind für den Leser oftmals nur schwer nachzuvollziehen.

Yoshihiro Tatsumi legt bei seinen Zeichnungen hohen Wert auf detailgetreue und realitätsnahe Darstellungen. Die einzelnen Seiten werden dunkel, einfach und schlicht gehalten. Häufig wirken verschiedene Charaktere nahezu identisch. Die Übersicht ist dann nur schwer zu behalten. Betrachtet man aber die aufwändigen Hintergründe und Umgebungen, wird einem Tatsumis Zeichentalent schlagartig bewusst.

Insgesamt sind leider nur wenige Geschichten dieses Sammelbandes wirklich fesselnd und verständlich. Die Pointe der Geschichten sind nicht immer eindeutig, sodass der Abschluss manchmal sehr abrupt und unvollendet wirkt. Einzelne Kurzgeschichten hingegen sind fesselnd und können sogar mit Überraschungen überzeugen. Es ist ein Werk, dass zum Nachdenken über sich und seine Mitmenschen anregt.

Sicherlich ist „Geliebter Affe…“ nicht jedermanns Geschmack. Man sollte dafür eine Affinität für anspruchsvolle Lektüre und tiefgründige Gedankengänge haben.

© Izumi Mikage

Kuroi Fubuki: © 2003 Yoshihiro Tatsumi, Daihakken/Carlsen

Gegen den Strom

Name: Gegen den Strom
Englischer Name: A drifting Life
Originaltitel: Gekiga Hyōryū
Herausgebracht: Japan: Seirinkogeisha 2008
Deutschland: Carlsen 2012
Mangaka: Yoshihiro Tatsumi
Bände: Einzelband
Preis pro Band: 44,00 €

Gegen den StromStory:
Der junge Hiroshi Katsumi ist 10 Jahre alt, als das Ende des zweiten Weltkrieges ausgerufen wird und für Japan eine Zeit des Wiederaufbaus und der wirtschaftlichen Krisen beginnt. Vier Jahre später hält sein Vater die Familie finanziell nur mühsam über Wasser, während Hiroshi und sein gesundheitlich angeschlagener Bruder Shoichi kleine Mangastrips auf Postkarten zeichnen und diese an das Magazin „Manga Shonen“ schicken. Damit legen beide den Grundstein für ihren steinigen Weg innerhalb der boomenden Mangaindustrie. Gerade Hiroshi gelingen nach und nach kleiner Erfolge, insbesondere als er sein großes Vorbild Osamu Tezuka kennenlernt und schließlich Stammzeichner des kleinen Provinzverlages Hinomaru wird, der vorwiegend Mangas für Leihbuchhändler anfertigt.

Schon bald reift in Hiroshi die Idee, einen gänzlich neuen Stil zu prägen und sich von den damals üblichen Kindermangas zu distanzieren. Mit einigen Kollegen, die ihn auch später über Jahre hinweg begleiten, ruft er das Kunzegeschichten – Magazin „Kage“ ins Leben, das für den Hinomaru Verlag mit der Zeit zu einem ungeahnten Verkaufsschlager wird. Seine Popularität steigt, er arbeitet für unterschiedliche Verlage, entwirft ungewöhnliche, erwachsene Geschichten und ist immer auf der Suche nach einem gänzlich neuem Erzählstil, den er später den Begriff „Gekiga“ gibt. Doch es gestaltet sich als zunehmend schwierig die neue Mangaform zu etablieren, denn schon bald ist sein Zeichenstil im sich rasant entwickelnden Mangaboom eher antiquiert und veraltet …

Eigene Meinung:
Zwölf Jahre arbeitete Yoshihiro Tatsumi an der einzigartigen, 850-seitigen Biografie „Gegen den Strom und entführt den Leser in 48 Kapitel in ein Japan der Nachkriegszeit. Der Manga erschien zunächst in zwei Bänden, später als großer Sammelband u.a. in den USA, Kanada, Frankreich und Spanien und war so erfolgreich, dass 2011 ein animierter Film unter dem Titel „Tatsumi“ in Singapore erschien. Zudem erhielt Yoshihiro Tatsumi für sein Lebenswerk 2010 zwei „Eisner Awards“ und wurde 2012 auf dem Internationalen Comicfestival in Angoulême mit dem Prix Ragards Sur Le Monde ausgezeichnet.

Mit viel Liebe zum Detail schildert der Autor die historischen Hintergründe der Nachkriegszeit Japans und spickt die Erzählung mit persönlichen Anekdoten und Ereignissen, die die Zeit noch lebendiger und dreidimensionaler machen. Man taucht direkt in die Welt des beginnenden Mangabooms ab, erfährt wie schwierig es damals für Zeichner war, Fuß zu fassen und gegen welche Vorurteile die Künstler damals zu kämpfen hatten. Insbesondere das System der Leihbuchhandlungen ist für den westlichen Leser etwas gänzlich Unbekanntes, war es doch damals üblich dort für einen geringen Stundenbetrag Bücher zu lesen und waren viele Mangakas bei Verlagen, die diese Buchhandungen mit Magazinen und Büchern bedienten.

Yoshihiro Tatsumi gelingt ein einzigartiges und informatives Zeitcolorit, das sich auch nach dem Lesen im Gedächtnis festsetzt und zum Nachdenken anregt. Er gibt seinen persönlichen Erfahrungen immer wieder einen festen Rahmen, in dem er die wichtigsten Ereignisse der Jahre auf 2-3 Seiten festhält und spannende Hintergrundinformationen preisgibt. Seien es die ersten Fernsehgeräte, bekannte Kinofilme oder Bücher von Shakespeare oder Dumas – die Graphic Novel bietet einen guten Einblick in die Zeit ohne sich rein auf den Mangamarkt zu konzentrieren.

Zumeist steht die Figur Hiroshi Katsumi im Vordergrund – der Leser erlebt durch ihn Yoshihiro Tatsumis Leben, das beständige Auf und Ab seiner Suche nach einer neuen Stilrichtungen und den damit verbundenen Schwierigkeiten. Hiroshi ist interessant und man kann sich gut in seine Gedanken – und Gefühlswelt hineinversetzen.

Zeichnerisch ist Gegen den Strom“ eher schlicht und einfach gehalten. Yoshihiro Tatsumi hat einen ganz eigenen, antiquierten und sehr klaren Stil, der weitestgehend auf Details verzichtet. Hin und wieder wirken die Zeichnungen ein wenig dahingeschludert, doch das gibt sich rasch wieder. Auch Rasterfolie kommt selten zum Einsatz, da Yoshihiro Tatsumi lieber mit schwarz/weiß Flächen arbeitet oder Schraffuren einsetzt, wobei diese nur selten zu finden sind. Stattdessen konzentriert er sich auf die einzelnen Szenen, ausgearbeitete Hintergründe, um seinen Figuren einen passenden Rahmen zu gaben und die Geschichte, die er erzählen will. Daher legt er viel Wert auf den Text und die Dialoge.

Die Aufmachung des Buches ist Carlsen wirklich gelungen. Der Hardcoverband wirkt edel und bietet ein langanhaltenes Lesevergnügen. Aufgrund des Umfanges wiegt die Graphic Novel einiges, so dass sie sowohl vom Format, als auch vom Inhalt her nichts für Zwischendurch ist. Man sollte sich schon einen Tag Zeit nehmen, um die Kapitel in Ruhe zu lesen, um die Wirkung des Mangas genießen zu können.

Insgesamt ist „Gegen den Strom“ ein weundervolles, tiefgründiges und unterhaltsames Meisterwerk, das den Leser in eine spannende und rasant wachsende historische Epoche des Mangamarktes entführt. Auf 850 Seiten und mit sehr klaren, einfachen Bildern erzählt Yoshihiro Tatsumis von seinem Leben und Schaffen und bietet erwachsenen Mangafans einen ungeahnten Einblick in die Anfänge des Mangabooms und die damaligen Verhältnisse. Wer schon immer erfahren wollte, wie sich der japanische Mangamarkt nach dem zweiten Weltkrieg entwickelt hat, der sollte sich diese Graphic Novel nicht entgehen lassen. Sie ist ein Fundus an Informationen, wissenswerten Details und überaus interessanten Anekdoten. Sehr zu empfehlen.

© Koriko

Gekiga Hyōryū: © 2008 Yoshihiro Tatsumi, Seirinkogeisha/Carlsen

Der Gourmet

Name: Der Gourmet
Englischer Name:
Originaltitel: Kodoku no Gourmet
Herausgebracht: Japan: Fusosha 1997
Deutschland: Carlsen 2014
Mangaka: Story: Masayuki Kusumi
Zeichnungen: Jiro Taniguchi
Bände: 2 Bände
Preis pro Band: 14,90 € (Band 1) bzw. 12,90 € (Band 2)

Story & Eigene Meinung
„Der Gourmet“ folgt dem Lebensweg eines  Klein-Unternehmers durch dessen Mittagspausen. In 18 Episoden streift der Protagonist durch Japan (meist durch wechselnde Stadtviertel Tokyos) auf der Suche nach einer warmen Mahlzeit. Gerne lernt er neue Lokalitäten kennen, immer wieder führen ihn seine Füße aber auch zu bekannten Gaststätten. Ob Sushi-Bar, Bio-Restaurant, Oden-Bude oder Schnitzelsandwich-Kaufhaus, überall lässt er sich nieder, wo ihm das Äußere Gaumenfreunden verspricht. Notfalls muss auch mal ein 24-Stunden-Mart herhalten.

Ein genauer Beobachter ist er, Inagashira, der lange namenlos bleibt. Und wieder nehmen Jiro Taniguchis weiche Zeichnungen die Eile aus jeder Geschichte. Die Optik strahlt eine Ruhe aus, die in „Der spazierende Mann“, einem anderen Werk Taniguchis, der Tongeber par excellence war. Nicht ganz so gemächlich geht es nun hier zu. Immerhin hat der Mann Hunger und dann muss es schnell gehen. Aber so einfach die erstbeste Fressbude soll es dann auch nicht sein. Schnell nimmt der Mann verschiedenste Informationen zu den Lokalen in seiner Nähe auf, wägt sie ab und entscheidet sich. Nicht immer soll sich diese Entscheidung als gut herausstellen. Aber immer wieder passiert es auch, dass selbst der notorisch auswärts essende Junggeselle überraschend Neues entdeckt.

Sushi, Tofu, vielleicht noch Ramen, Soba und Okonomiyaki: Für Europäer sind dies die Stichworte, die genannt werden, wenn es um japanische Gerichte geht. Für den Großteil der Menschen hierzulande ist die japanische Küche ein Böhmisches Dorf. Wenigen ist es bewusst, dass es neben den (in Japan nicht anders als in Europa) teuren Delikatessen wie Sushi auch noch eine große Palette an japanischer Hausmannkost gibt. Fernab von Ladenstraßen mit Fastfood-Schuppen bilden kleine, meist inhabergeführte Lokale ein Herzstück der japanischen Kochlandschaft. Führt man sich diesen Hintergrund vor Augen, ist „Der Gourmet“ nicht einfach nur als Graphic Novel, sondern auch als Aufklärungsbuch zu verstehen. Und aufgeklärt wird man wirklich, denn der junge Mann, der sich durch Japans Metrople(n) futtert, tut dies nicht einfach nur so. Er lässt den Leser durch seine Gedanken teilhaben am Essen.

Sicherlich: Der Durchschnittsleser wird mit den Kommentaren des Protagonisten hinsichtlich Besonderheiten dieser oder jener Zubereitung wenig anfangen können, womöglich noch nicht einmal eine Idee haben, wie bestimmte Gerichte überhaupt schmecken oder schmecken sollen. Und natürlich ist es klar, dass hiesige Leser im Gegensatz zum japanischen Publikum nicht mal eben die vorgestellten Locations aufsuchen könnten – falls diese heute noch existieren, der erste Band entstand immerhin bereits in den 1990er-Jahren. Nichtsdestotrotz machen die Erlebnisse des Mannes im wahrsten Sinne des Wortes Appetit auf japanische Küche in allen ihren Facetten. Das ist das Verdienst des Bandes und sicherlich auch der Hintergrund des Verlags ihn hierzulande zu publizieren. Als Vorgeschmack auf die eigentlichen Episoden gibt es im ersten Band noch einen Artikel „So schmeckt Japan“ von Tagesspiegel-Redakteur Lars von Töne, in beiden Bänden jeweils ein Glossar mit den auftauchenden Nahrungsmitteln sowie ein Nachwort des Autors Masayuki Kusumi.
In diesem Sinne: Wohl bekomm’s!

© Rockita

Der Gourmet: © 1997 Masayuki Kusumi, Jiro Taniguchi Fusosha / Carlsen

Kirihito

Name: Kirihito
Englischer Name: Ode to Kirihito
Originaltitel: Kirihito Sanka
Herausgebracht: Japan: Tezuka Productions 1970
Deutschland: Carlsen 2009
Mangaka: Osamu Tezuka
Bände: 3 Bände
Preis pro Band: 16,90 €

Kirihito Band 1Story
Kirihito Osanai ist ein junger aufstrebender Arzt in einem Klinikum in Japan, der sich mit einer rätselhaften Krankheit beschäftigt. Die Symptome der Patienten sind stets gleich: Nach plötzlichen Fieber- und Migräneanfällen beginnen die Gesichter der Betroffenen zu mutieren, bis sie hundeähnliche Züge angenommen haben. Damit einher geht schubweise eine Gier nach rohem Fleisch. Bereits wenige Monate nach Ausbruch der Krankheit sterben alle Infizierten. Die Ärztewelt ist ratlos.

Während Prof. Tatsugaura, der Chefarzt des Klinikums, von einer Viruskrankheit ausgeht, ist sich Osanai sicher, dass es sich um eine biochemische Krankheit handeln muss, also, dass die Erkrankung nach dem äußeren Zugang gefährlicher Substanzen wie z.B. Gift erfolgt ist. Doch der Chefarzt will davon nichts hören, sieht er doch im sogenannten „Monmo-Syndrom“ seine große Aufstiegschance in internationale Gefielde.

Auch der glücklich verlobte Osanai hat große Ziele. Um seine Theorie zu beweisen, bekannt zu werden und darauf endlich seine geliebte Izumi heiraten zu können, entschließt er sich zu einer Feldforschung in einem kleinen Dorf in Shikoku, wo die Krankheit erstmals auftrat. Dort hat er gleich von Anfang an mit dem Misstrauen der Bewohner zu kämpfen. Nur die junge Tazu, deren Vater an der Krankheit leidet, ist freundlich zu Osanai.

Bald schon erweist sich die Reise als von der Klinikleitung geschickt eingefädelte Falle. Niemals soll Osanai zurückkommen. Tatsächlich kann sich der junge Arzt nur durch die Heirat mit der einheimischen Tazu vor dem Tode retten und steckt sich auch noch selbst mit der Monmo-Krankheit an. Zwar gelingt es ihm darauf, seine Theorien zu bestätigen und die Krankheit auf verunreinigtes Trinkwasser zurück zu führen – was ihn vor dem Tod bewahrt – doch die Außenwelt tut in der Zwischenzeit alles, um die Erinnerungen an den Menschen Kirihito Osanai auszulöschen.

Kirihito Band 2Gleichzeitig entdeckt Osanais Kollege Uraba in Südafrika weitere Fälle der Krankheit. Auch eine weiße Frau hat sich angesteckt, was vorher für unmöglich gehalten wurde. Doch bevor es zu weiteren Studien kommen kann, wird ein Anschlag auf das Leben Urabas und seiner neuen Patientin verübt…

Trotz aller Geschehnisse beschließt Osanai aufzubrechen und die Wahrheit zu verkünden – eine Reise voller Gefahren beginnt…

Eigene Meinung
„Kirihito“ ist ein Werk des japanischen „Gott der Manga“ Osamu Tezuka, einem der legendärsten und beliebtesten Mangaka in Japan überhaupt. Sein Ärzte-Drama entführt den Leser in die Welt der 1970er, eine Zeit der Intrigen und der Ungleichheit der Menschen. Während der Einstieg in das Thema über eine mysteriöse Krankheit genommen wird, stellen sich schon bald als zentrale Fragen: „Bis zu welchem Punkt ist man ein Mensch?“ und „Was macht einen Menschen wirklich aus“. Grandios zieht der Autor den Vergleich zur Apartheid, die zum Zeitpunkt der Entstehung des Manga noch ein großes und wichtiges Thema in Afrika (und im Großteil der Welt) war. Dabei schreckt er nicht vor indirekter Kritik zurück, beispielsweise mit der wiederholt aufgeworfenen Frage, ob Japaner nun als „Farbige“ oder als hochtechnisierte „Partner“ und damit mit „Weißen“ gleichgesetzt behandelt werden sollen / müssen. Aber Tezuka beschreibt auch die Tiefen der menschlichen Psyche durch die bald auftretenden Selbstzweifel Osanais, aber auch die menschenverachtenden Behandlungsmethoden, denen er sich auf den Abwegen seiner Reise ausgesetzt sieht.

Der Zeichenstil ist – wie zur Entstehungszeit üblich – sehr einfach gehalten, die schlagartige Bewegungen nehmen comichafte Züge an. Am besten erkennt man den typischen Tezuka-Stil an den markanten und ausdrucksstarken Gesichtern der meisten Charaktere.

In Deutschland erscheint die dreibändige Serie im großformatigen Klappenbroschur, der leider mit 16,90 € pro Band auch etwas teuer ist. Im Anhang befindet sich ein Glossar, das viele unbekannte Begriffe erklärt, das aber leider vorher nirgends ausgewiesen ist. Zudem kann man neben der Kurzbiografie Tezukas im Klappentext noch eine ausführlichere Version im Anhang lesen.

Jeder sollte mal eine Tezuka-Serie gelesen haben. An „Kirihito“ sollte man sich aber nur mit der entsprechenden Toleranz vor älteren Serien, die nicht dem heute üblichen Standard entsprechen, heranwagen – und auch nur, wenn man eine anspruchsvolle Story gewohnt ist.

© Rockita

Kirihito: © 1970 Osamu Tezuka, Tezuka Productions / Carlsen

Ein Zoo im Winter

Name: Ein Zoo im Winter
Englischer Name:
Originaltitel: Fuyu no Dobutsuen
Herausgebracht: Japan: Shogakukan 2008
Deutschland: Carlsen 2010
Mangaka: Jiro Taniguchi
Bände: Einzelband
Preis pro Band: 16,00 €

Ein Zoo im WinterStory
Kyoto im Dezember 1966… Der 21-jährige Hamaguchi arbeitet bei einem Großhändler für Textilwaren Er ist aber beruflich enttäuscht, hatte er doch den Job angenommen, weil er sich auf Produktdesign spezialisieren wollte. Leider lässt man ihn genau diese Arbeit nicht ausführen. Unentschlossen und ziellos angesichts seiner ungewissen Zukunft, führen ihn seine Schritte an freien Tagen wieder und wieder in den Zoo, wo er sich häufig zum Zeichnen niederlässt.

Hamaguchi teilt sich eine Wohnung mit ein paar Kollegen. Zwangsläufig bekommt er die neuesten Klatschgeschichten mit und erfährt so auch von Ayako, der Tochter seines Chef. Die war von ihren Eltern mit einem wohlhabenden Firmenchef verkuppelt worden, doch die Ehe stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Schließlich betrog sie ihrem Ehemann, den sie nie wirklich liebte, mit einem anderen und wurde daraufhin aus dem Haus geworfen. Auch nach ihrer darauf folgenden Scheidung und der Heimkehr in ihr Elternhaus, haftet ihr dieser Makel an. Fortan ist es ihr nicht gestattet, das Haus ohne Begleitung zu verlassen.

Ausgerechnet Hamaguchi wird durch Zufall zu Ayakos „Aufpasser“. Das geht auch zu Anfang gut – bis Ayako den jungen Mann als Alibi benutzt, um heimlich mit ihrem Freund durchzubrennen. Ab diesem Moment ist für Hamaguchi in seiner Firma kein Auskommen mehr. Man unterstellt ihm, die Flucht Ayakos gedeckt oder sogar unterstützt zu haben. Da kommt ihm die Einladung eines Jugendfreundes nach Tokyo gerade recht, um abzuschalten.

Da Hamaguchi nicht wirklich in der Textilfirma bleiben will, vermittelt ihm sein Kumpel spontan einen Assistentenjob beim Manga-Zeichner Kondo-sensei. Dort wird er mehr oder minder ins kalte Wasser geworfen, findet aber letztlich Gefallen an dieser Tätigkeit und zieht nach Tokyo.
Es folgen Wochen und Monate neuer Bekanntschaften, interessanter Erlebnisse und vor allem viel Arbeit.

Auch wenn seine neue Arbeit anstrengend ist, fühlt sich Hamaguchi mit der Zeit immer wohler und denkt schließlich darüber nach, selbst auch mal einen eigenen Manga zu zeichnen, um möglicherweise selbst einmal Mangaka zu werden – entgegen der Vorbehalte seiner Familie bezüglich dieses Berufsfeldes. Als dann auch noch die süße Mariko in sein Leben tritt, scheint er endlich Ziele am Ende seines Weges zu sehen…

Eigene Meinung
„Ein Zoo im Winter“ ist ein neuer One-Shot im Graphic Novel Format vom Meister der nachdenklichen Manga-Dramen Jiro Taniguchi. Auch mit seinem neuen Werk schafft er wieder eine Geschichte um einen jungen Menschen am Scheideweg seines Lebens. Es braucht Zeit, bis man seinen eigenen Weg findet – und Mut diesen Weg zu gehen. Das ist eine der Botschaften, die dem Leser mit auf den Weg gegeben werden soll.

Der Protagonist der Handlung, Hamaguchi, gelangt in gewisser Hinsicht aus Zufall und Glück in eine Position, in der es ihm möglich ist, neue Wege zu beschreiten, als alle seine freien Tage gedankenversunken im verschneiten Kyotoer Zoo zu verbringen, um vor sich hin zu zeichnen. Mit etwas Unterstützung nimmt er diese Chance an und lernt eine neue Welt kennen.
Realistische Zeichnungen und „echte“ Hintergrundaufnahmen aus Kyoto und Tokyo verleihen der Story einen authentischen Charakter.

Und ein weiteres Mal wirft die Lektüre eines Werks von Taniguchi-sensei auch neben der eigentlichen Storyline viele Fragen auf, über die man sich Gedanken machen kann. Kurzum: Gerade ältere Leser werden sich auch an diesem Werk erfreuen.

Ein Zoo im Winter: © 2008 Jiro Taniguchi Shogakukan / Carlsen

Der spazierende Mann

Name: Der spazierende Mann
Englischer Name:
Originaltitel: Aruku Hito
Herausgebracht: Japan: Kodansha 1995
Deutschland: Carlsen 2009
Mangaka: Jiro Taniguchi
Bände: Einzelband
Preis pro Band: 14,00 €
14,90 € (Neuauflage)

Der spazierende MannStory & Eigene Meinung
„Der spazierende Mann“ erzählt dem Leser einen Ausschnitt aus dem Leben eines namenlosen Mannes im mittleren Alter und seiner Familie, die aus seiner Ehefrau und dem Hund „Flocke“ besteht.

Eigentlich ist „erzählt“ gar nicht das richtige Wort. Vielmehr wird man als Leser Zeuge verschiedener Anekdoten. Man fungiert als ständiger unsichtbarer Begleiter, als Anhängsel des Mannes, der zu Beginn in eine japanische Vorstadt oder vielleicht auch Mittelstadt zieht.

Genaue Angaben bezüglich der Person kann man daher kaum machen. Wenige Dinge kommen zu Tage. Aber das ist auch überhaupt nicht nötig. Man erlebt das Leben eines Durchschnitts-Menschen mit. Eine „richtige Story“ gibt es nicht. Stattdessen erleben wir Umzug, Feierabend, Wochenende, Ausflüge, tägliche Spaziergänge mit dem Hund und vielerlei Begegnungen, wie viele von uns sie schon einmal gemacht haben, es aber kaum für wert befunden haben, uns diese auch im Gedächtnis zu behalten.

Das mag in den Ohren junger Leute zunächst einmal langweilig klingen, aber wenn man aufpasst und genau hinschaut, kann man dadurch ungeheuer viel lernen. Die „Lektionen“, die man sich selbst aneignen kann, beginnen bei Kenntnissen über japanische Lebensverhältnisse, die Kultur und die Gesellschaft im Land der aufgehenden Sonne. Deutet man einzelne Begebenheiten oder auch nur Panels richtig, kann man gründlich auf Spurensuche gehen.

Der spazierende Mann NeuauflageTatsächlich soll uns der Band aber etwas anderes vermitteln: Innehalten. Die meisten Menschen gehen durch ihr Leben mit Scheuklappen vor den Augen und in einer Geschwindigkeit, die man fast unter „rennen“ einordnen könnte. Wann nimmt man sich einmal Zeit, sich mit seiner Umwelt zu beschäftigen? Dabei ist mit „Umwelt“ alles von der ökologischen Umwelt, über das Umfeld (im sozialen Sinne) bis zur Umgebung gemeint. Durch diesen Mann, den Jiro Taniguchi als absolut unscheinbaren und unauffälligen Menschen erschaffen hat, wird uns klar, wie wenig wir eigentlich um uns herum aufnehmen – starr auf das in unserem Sinne „Wesentliche“ konzentriert.

Nicht so der Namenlose, der sich beispielsweise nach der Sichtung eines Vogels im Wald ein Buch über Vögel besorgt, um mehr über sie zu lernen und die Arten beim nächsten Mal wieder zu erkennen. Jemand, der sich so viel Zeit nimmt, an einem schönen Ort einfach mal kurz sitzen oder stehen zu bleiben oder sich „Wettgehen“ mit älteren Herren auf Wanderwegen liefert. Jemand, der älteren Frauen den Weg zeigt und Kindern die Modellflieger aus Bäumen pflückt.
Kurz: Jemand, der seine Umgebung bewusst wahrnimmt.

Es dürfte jedem klar geworden sein, dass es sich bei „Der spazierende Mann“ um ein anspruchsvolles Werk mit viel Tiefgang handelt, das man nicht einfach so „herunter lesen“ kann. Hierfür muss man sich Zeit nehmen. Allein schon deshalb wird diese Graphic Novel für viele Jugendliche nichts sein. Hinzu kommt, dass dieser Band kaum Unterhaltungswert im jugendlichen Sinne Unterhaltungswert hat. Allenfalls das Kapitel, in dem der Mann nach Einbruch der Dunkelheit ins Schwimmbad einbricht, um nachts noch seine Runden im kühlen Nass drehen zu können, dürften ein kleines Schmunzeln hervor rufen. Für ältere Leser aber ist der Band wirklich ansprechend und nicht ohne Grund der Meilenstein für Taniguchis Durchbruch als Mangaka.

Carlsen vertreibt den Band als Klappenbroschur mit Großformat zum Preis von 14,00 €, was angesichts von nur zwei Farbseiten etwas hoch gegriffen wirkt. Zudem beinhaltet die deutsche Ausgabe noch ein lesenswertes Nachwort vom „Comic & Manga-Beauftragten“ der „FAZ“.

© Rockita

Der spazierende Mann: © 1995 Jiro Taniguchi Kodansha / Carlsen

Buddha

Name: Buddha
Englischer Name: Buddha
Originaltitel: Buddha
Herausgebracht: Japan: Ushio Shuppan 1972
Deutschland: Carlsen 2012
Mangaka: Osamu Tezuka
Bände: 10 Bände
Preis pro Band: 22,90 €

Buddha Band 1Story und Eigene Meinung
„Buddha“ erzählt die Lebensgeschichte des Fürstensohnes Siddharta Gautama nach, der nach Jahren des Wanderns auf der Suche nach Erleuchtung zum Buddha, dem „Erwachten“ wird.
Doch der Reihe nach. Zunächst rückt Manga-Legende Osamu Tezuka andere Figuren in den Blick seines zehnbändigen Epos‘. Mit dem Sklaven Chapra und dem Ausgestoßenen Tatta geht er auf die Begegnung zweier Figuren ein, die zunächst einmal mit Siddharta nichts zu tun haben können, leben sie doch am Rande der Gesellschaft. Doch wie meist bei Tezuka sind die Dinge nicht so, wie sie scheinen. So ist beiden Jungen ein unglaubliches Schicksal bestimmt: Während Chapra sogar bereit ist, seine Familie aufzugeben, um das Unglück eines Lebens als Sklaven gegen das eines Soldaten zu tauschen, ruhen in Tatta übermenschliche Fähigkeiten. Obgleich er als Paria noch nicht einmal einer Kaste angehört, ist er in der Lage, von den Körpern der Tiere um ihn herum Besitz zu ergreifen. Für den jungen Brahmanen-Mönch Naradatta ist klar: Tatta muss der prophezeite Auserwählte sein, derjenige, der zu den Göttern aufsteigen oder Herrscher der Welt werden wird.

Doch die Welt funktioniert nicht so einfach, wie die Jungen oder der Mönch es sich vorstellen. Das strenge Kastenwesen dominierte vor 2500 Jahren die Gesellschaft in Indien. Schnörkellos und dennoch unterhaltsam verknüpft Tezuka die Kritik an der starren Ständeordnung mit dem Leben uns Streben der drei Figuren Naradatta, Chapra und Tatta, die aus vollkommen verschiedenen Welten stammen, aber dennoch auf der Suche nach ihrem Schicksal sind.
Buddha Band 2In jener Zeit wird Siddharta Gautama als Kronprinz des Reichs geboren. Bereits seine Geburt steht unter einem besonderen Stern. Alle Tiere der Umgebung kommen zu dem Neugeborenen und huldigen ihm. Dem zukünftigen Fürsten wird eine große Zukunft vorausgesagt. Doch wird sich diese so gestalteten, wie sein Vater meint? Schnell zeigt sich, dass der junge Prinz mit seinem Leben nicht glücklich ist. Sein Weg auf der Suche zur Erleuchtung wird lang und beschwerlich sein.

Die lose an wahre Gegebenheiten angelehnte Geschichte verpackt Tezuka in seinem markanten Zeichenstil in ein Märchen voller Dramatik und Spannung. Mit großen Bildern setzt er die Handlung in Szene, lässt das Indien von vor zweieinhalbtausend Jahren lebendig werden.

Carlsen würdigt die epochale Serie mit einer Auflage in zehn edlen Hardcover-Bänden mit Farbseiten und hochwertigem Papier. Dies hat aber auch einen stolzen Preis – mit über 20 Euro pro Band – der viele potenzielle Leser abschrecken könnte. Die Reihe ist es dennoch sicherlich wert, im Schrank eines jeden Tezuka-Fans zu stehen.

© Rockita

Buddha: © 1972 Osamu Tezuka Ushio Shuppan / Carlsen

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