Geliebter Affe und andere Offenbarungen
Name: | Geliebter Affe und andere Offenbarungen |
Englischer Name: | – |
Originaltitel: | Kuroi Fubuki |
Herausgebracht: | Japan: Daihakken 2003 Deutschland: Carlsen 2013 |
Mangaka: | Yoshihiro Tatsumi |
Bände: | Einzelband |
Preis pro Band: | 19,90 € |
Story
„Geliebter Affe und andere Offenbarungen“ ist eine Sammlung 13 verschiedener Kurzgeschichten, in denen unterschiedliche Menschen vor einem Wendepunkt oder vor einer schweren Entscheidung stehen.
Beispielsweise steht Saburo Hanayama kurz vor seiner Rente. Eigentlich könnte er sich auf ein ruhiges und entspanntes Rentnerleben freuen, aber dem ist leider nicht so. Seine Familie beschäftigt sich ausschließlich mit der Berechnung seiner Altersvorsorge und dessen Verwendungszweck. Er selber wird darin aber nicht involviert. Und auch die letzten Arbeitstage fallen ihm sichtlich schwer. Niemand scheint ihn noch zu brauchen. Alle wenden sich bereits vertrauensvoll an den neuen Abteilungsleiter. Nur Fräulein Okawa, die von Saburo ins geheim angehimmelt und verehrt wird, scheint als einzige noch zu ihm zu halten. Saburo wird sich langsam bewusst, dass er alt geworden ist. Doch er beschließt, dem Verfall der Zeit entgegen zu wirken und seiner habgierigen Familie einen Strich durch die Rechnung zu machen. Saburo will seine Würde als Mann zurück. Er beschließt all das Geld seiner Rente für Frauen und Pferderennen auf den Kopf zu hauen!
Eine weitere Geschichte handelt von Shimokawa, dem Berufszeichner. Als die Verkaufszahlen immer mehr in den Keller rutschen, wird sein momentanes Projekt, Bilderbücher für Kinder zu entwerfen, jedoch kurzerhand ab gesägt. Nach dieser schlechten Nachricht und der drohenden Arbeitslosigkeit wandert Shimokawa verzweifelt durch die Straßen. Sein einziger Zufluchtsort ist eine kleine, verdreckte, öffentliche Toilette, die eher einem Plumpsklo ähnelt. Die obszönen Kritzeleien nackter Frauen, die die Wänden verzieren, versprühen für Shimokawa einen gewissen Charme und kurbeln seine Fantasie an. Vielleicht hat sich Shimokawa bei seinen Comics einfach nur der falschen Zielgruppe gewidmet.
Auch Kenichi hat mit den Hürden des Alltags zu kämpfen. Er lebt mit seiner Mutter in einer winzigen Wohnung. Tagtäglich muss er seine Mutter wie ein Sklave versorgen und ihre Beschwerden über sich ergehen lassen. So oft wie möglich hält sie ihm vor, wie schwer sie es mit ihm hatte und wie viel Arbeit er ihr als Kind gemacht hätte. Doch wenn er auch nur einen Fuß vor die Tür setzt, um beispielsweise zur Arbeit zu gehen, bekommt seine Mutter Panik, allein gelassen zu werden. Ständig fleht sie ihn an zu bleiben und sie nicht zu verlassen. Doch Kenichi hat auch ein eigenes Leben. Zu gerne würde er mit seiner Freundin zusammenziehen. Doch er traut sich nicht mal, sie mit zu sich nach Haus zu nehmen. Seine Mutter hat er ihr nie vorgestellt.
Als Kenichi eines Tages aber einen Zeitungsartikel liest, der von einer alten Frau handelt, die einsam und allein in ihrer Wohnung gestorben ist und erst zwei Wochen später tot aufgefunden wurde, kommt ihm ein vielversprechender Gedanke! Er muss seine Mutter irgendwo weit weg in eine eigene Wohnung ausquartieren. Ohne seine Fürsorge würde das Problem sicher schon bald gelöst sein.
Ähnlich wie die beschrieben Geschichten haben auch die anderen Protagonisten mit ihrem Alltag zu kämpfen.
Ein ehemalige Sträfling kann sich nur schwer wieder in die Gesellschaft eingliedern, ein Mann lässt sich aus Liebe zu seiner Frau wie einen Hund behandeln, ein Vergewaltigungsopfer flieht mit seiner Familie von Ort zu Ort um seinem Peiniger zu entfliehen, Ein Mann hat mit seiner Erinnerung und der damit verbunden Phobie vor Sex zu kämpfen, Ein weiterer Mann erleidet im Arbeits-, Privat- und Liebesleben harte Schicksalsschläge, Die Diagnose von Diabetes lässt einen Mann seine Sterblichkeit klar werden, wodurch er seinen Verfall durchs Rückwärtslaufen entgegenwirken möchte, und viele weitere Geschichten.
Eigene Meinung
„Geliebter Affe und andere Offenbarungen“ richtet sich in erster Linie an das erwachsen Publikum.
Yoshihiro Tatsumi gilt als der Begründer des Gekiga-Stils, der sich durch reife Zeichnungen und Geschichten vom Mangamarkt abhebt und den Gegensatz zu den niedlichen Vertretern bildet. Wahrlich ist auch „Geliebter Affe…“ keine leichte Kost. Auf 320 Seiten sind verschiedene Handlungen thematisiert, die teilweise die Kehrseite der menschlichen Gesellschaft darstellen. Gewalt und Perversion stehen vielfach im Mittelpunkt und bilden den roten Faden zwischen den einzelnen Geschichten. Ein Happy End ist zudem eher selten. Häufig sind die Wendungen schockierend und wirken befremdlich. Die einzelnen Schritte und Gedanken der jeweiligen Protagonisten , sowie deren Antrieb für bestimmte Handlungen, sind für den Leser oftmals nur schwer nachzuvollziehen.
Yoshihiro Tatsumi legt bei seinen Zeichnungen hohen Wert auf detailgetreue und realitätsnahe Darstellungen. Die einzelnen Seiten werden dunkel, einfach und schlicht gehalten. Häufig wirken verschiedene Charaktere nahezu identisch. Die Übersicht ist dann nur schwer zu behalten. Betrachtet man aber die aufwändigen Hintergründe und Umgebungen, wird einem Tatsumis Zeichentalent schlagartig bewusst.
Insgesamt sind leider nur wenige Geschichten dieses Sammelbandes wirklich fesselnd und verständlich. Die Pointe der Geschichten sind nicht immer eindeutig, sodass der Abschluss manchmal sehr abrupt und unvollendet wirkt. Einzelne Kurzgeschichten hingegen sind fesselnd und können sogar mit Überraschungen überzeugen. Es ist ein Werk, dass zum Nachdenken über sich und seine Mitmenschen anregt.
Sicherlich ist „Geliebter Affe…“ nicht jedermanns Geschmack. Man sollte dafür eine Affinität für anspruchsvolle Lektüre und tiefgründige Gedankengänge haben.
© Izumi Mikage
Kuroi Fubuki: © 2003 Yoshihiro Tatsumi, Daihakken/Carlsen